Der Schwule der Neger und der heilige Berg

Dokumentarfilm von Dave D. Leins

Mein erster Dokumentarfilm sollte ein Porträt des Narrenpräsidenten meines Heimatdorfes werden. Ganz nach der guten alten Devise der Dokumentarfilmer: „Dreh dort wo du dich gut auskennst und das worüber du etwas zu erzählen hast“. Also begann ich zu drehen.Während den Dreharbeiten wurde mir bewusst, dass Markus, mein Protagonist, nicht nur an Fastnacht eine Maske trägt. Er führt ein Doppelleben um mit seiner Heimat kompatibel zu sein. Das diffuse Gefühl, in seinem konservativen Umfeld könnte es Menschen geben, die ihn vielleicht nicht mehr akzeptieren, wüssten sie über ihn Bescheid, wiegt schwer.

Der Film erzählt wie Markus durch den Prozess des gefilmt Werdens erstmals beginnt sich mit seinem Doppelleben auseinander zusetzten. Nach und nach wurde mir klar, dass dieses Filmprojekt viel mehr mit mir selbst zu tun hat, als es mir eigentlich lieb war. Ich entdeckte immer mehr Parallelen zwischen der Geschichte des Narrenpräsidenten und meiner eigenen. So konfrontierte mich mein Erstlingsfilm plötzlich mit meinem eigenen Verhältnis zur Heimat. Nur, was ist jetzt seine Geschichte und was nur meine Projektion?

Ich wähle die Szenen und bestimme was gedreht wird und was nicht. So wird die Realität nach und nach zur Fiktion. Vielleicht projiziert ja jeder Dokumentarfilmer in seine Protagonisten seine eigene Geschichte und macht sie so zu Schauspielern für seine Themen? Ich wollte mich dieser Tatsache stellen. So wurde aus dem ursprünglich geplanten, geradlinig erzählten Porträt, ein Essay über Heimat im Allgemeinen. Der Regisseur wurde zum Protagonisten und der Protagonist irgendwann auch zum Regisseur. Am Schluss war nicht Markus, mein Darsteller die geläuterte Figur, sondern ich der Regisseur. So haben wir gemeinsam einen Film gedreht über Menschen die nicht der Norm entsprechen aber dennoch zur Heimat gehören wollen. Eine andere Geschichte. Die Geschichte der Anderen.